Die SpinnerInnen unter euch werde den Prozess der Rohwollverarbeitung wahrscheinlich kennen. Für die meisten Stricker- und HäklerInnen liegt er vor ihrer eigenen Arbeit. Deswegen zeige ich euch heute mal, wie ich vorgehe und was aus einem Teil meiner Rohwolle vom letzten Frühjahr geworden ist und noch wird.
Auf dem oberen Foto seht ihr links die gewaschene Rohwolle eines Oststriesischen Milchschafs. In der Mitte ist die Wolle bereits kardiert. Rechts ist sie als einfädiges Garn versponnen auf einer Handspindel. Wie kommt man nun von einem Schritt zum anderen?
Ostfriesisches Milchschaf
Das Ostfriesische Milchschaf ist ein einheimisches, hornloses Schaf mit einer eher robusten Wolle. Wir Spinner sagen „robust“ und nicht „kratzig“ und „griffig“ statt „rau“. Irgendwie wollen wir damit wohl rechtfertigen, dass es nicht immer nur Merino und Seide sein müssen. Denn auch die einheimischen, robusteren Rassen haben Fasern zu bieten, die es sich lohnt zu verarbeiten. Die Wolle des Ostfriesischen Milchschafs hat eine Feinheit von 32-38 Micron (die dicke der einzelnen Haare).
Die Rohwolle, die ich euch hier zeige, habe ich im letzten Jahr auf einem kleinen Milchschafhof beim Schafschurfest bekommen. Die Wolle einheimischer Schafe findet in Deutschland kaum noch Abnehmer und wird im Normalfall einfach entsorgt. Die Kosten für die Beschaffung der einheimischen Rohwolle sind für mich als Spinnerin also eher gering. Umso höher ist der Arbeitsaufwand für die Verarbeitung. Man muss sich darüber bewusst sein, wenn man mit Rohwolle arbeiten will. Ich finde aber, dass es sich lohnt.
Waschen
Das frische Vlies – ich würde es als Fell ohne Haut bezeichnen – wasche ich immer so schnell wie möglich. Es kann doch sehr stark nach Schaf riechen und für mich als Vegetarierin ist das schon eine kleine Überwindung, beherzt in den Sack mit der Rohwolle zu greifen und die verkoteten und verfilzten Stellen auszusortieren.
Wenn das geschehen ist, wasche ich die Wolle, verpackt in kleinen Portionen in Wäschenetzen, mit Spüli oder Unicorn Power Scour. Letzteres ist aktuell meine liebste Variante. Bei mir kommt die Wolle in sehr heißes Wasser – so heiß, wie es eben aus der Leitung kommt – und wird nur einmal mit Spülmittel gewaschen. Danach wird die Wolle noch 2 bis 3 Mal gespült. Dabei ist es wichtig, keine Temperaturschocks zu verursachen und das Garn möglichst wenig zu bewegen. Ansonsten haben wir am Ende einen tollen Filz, aber keine spinnbare Wolle.
Bei mir kommt alles zum Trocknen auf einen mit Fliegennetz (Werbelink) ausgelegten Wäscheständer. Ein zweites Netz kommt oben drauf und so kann nichts wegfliegen oder von Vögeln geklaut werden.
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Kardieren oder Kämmen
Wenn alles trrocken ist, werden die einzelnen Flocken ein wenig auseinandergezupft. Das kann man auch im großen Stil mit einem sogenannten „Wool Picker“ machen. Ich bin allerdings nicht in Besitz eines solchen Geräts, also wird per Hand gezupft. Dabei fallen schon so einige Krümel, Heuf und Gras (Einstreu) heraus.
Möchte man ein möglichst glattes Garn spinnen, muss man die Wolle kämmen und Kammzüge ziehen. Das ist sehr aufwändig, kann sich aber lohnen.
Ich verarbeite meine Rohwolle bisher mit meinem Kardiergerät (Rudi von Tom Walther). Die beiden Trommeln, die ihr auf dem Bild seht, sind mit Kardenbelag bespannt. Das ist eine Matte mit vielen kleinen Nadeln darin. So wird die Wolle quasi gebürstet. Einiges an Dreck fällt dabei heraus und zu kurze Haare bleiben in der kleineren vorderen Rolle hängen. Am Ende nimmt man dann das „Batt“ (= kardierte Wolle) von der großen Trommel und wiederholt den Vorgang bei bedarf. Bei dem dunkelbraunen Ostfriesischen Milchschaf habe ich insgesamt nur zwei Mal kardiert.
Verspinnen und Verzwirnen
Dann wird die Wolle wahlweise mit der Handspindel oder dem Spinnrad versponnen und verzwirnt. Ich habe in diesem Fall auf der Handspindel gesponnen (siehe Foto oben) und auf meinem Bliss von Woolmakers navajo gezwirnt. Dabei entstand ein 3-fach gezwirntes Garn.
Noch einmal ins Wasser
Das fertige Garn wird auf einer Haspel zum Strang gewickelt und an einigen Stellen abgebunden, damit sich nichts verdreht. Nun kommt der Strang noch einmal ins Wasser. Man nennt diesen Vorgang Entspannungsbad. Der Drall im Garn kann sich ein bisschen ausgleichen. Das Garn wird dann zum Trocknen aufgehangen.
Weiterverarbeitung – Stricken, Häkeln, Weben
Nun kann der Strang gewickelt und weiter verarbeitet werden. Ich wickle mit meinem Wollwickler von Ylle. Zur Weiterverarbeitung bieten sich alle Techniken an Stricken, Häkeln und Weben. Wie oben schon erwähnt, ist die fertige Wolle aber sehr viel robuster als das Material, das wir bspw. von südamerikanischer oder gar australischer Merinowolle kennen. Es bietet sich also vielleicht nicht unbedingt für einen Schal an. Ich möchte aus diesem Garn allerdings eine Strickjacke machen und werde meine Empfindlichkeit mal damit testen. Da ich in diesem Jahr noch ein Rohwollvlies vom selben Hof ergattern konnte, habe ich auch genügend Rohwolle auf Vorrat. Ziel: Im nächsten Jahr mit der fertigen Strickjacke zum Schurfest und sie vorführen.
Falls ihr Fragen zu einem Arbeitsschritt habt oder gern mehr über ein bestimmtes Verarbeitungsgerät wissen möchtet, das ich hier gezeigt habe, lasst gern einen Kommentar da.
Verlinkt bei #maschenfein.